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© Dirk Burchard zum 9. November 2016 www.ryker.de/dirk/archiv/dresden.html

Werte Herren Gauck, Lammert, Voßkuhle & Frau Merkel,

am 3. Oktober 2016 haben Sie in Dresden Ihren 26. Kohlfeiertag begangen. Sie sind dabei auf pöbelnden Mob gestoßen und damit der Legende von „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“ so nahe gekommen, wie niemals zuvor, denn gemeinsam mit Ihrem – ja, genau: mit Ihrem Mob, haben Sie ein stimmiges Gesamtbild abgegeben, daß Helmut Kohls durch Wolfgang Schäuble und Günther Krause am 31. August 1990 unterzeichneter „Einigungsvertrag“ niemals mehr als eine Allianz von westReaktionären mit ostMob unter Ausgrenzung von west- und ostdeutschen Bürgerrechtlern war und niemals mehr sein wird.

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Wer bin ich, daß ich den Repräsentanten des Bundes und seiner drei Staatsgewalten das vorhalte? Ich bin derjenige, der ab November 1996 mit einer Petition versucht hatte, den Tag der Deutschen Einheit vom 3. Oktober auf den 9. November zu verlegen, worüber der Deutsche Bundestag auf eine Beschlußempfehlung seines Petitionsausschusses vom 25. Juni 1997 (BT-Drucksache 13/8067, Seite 14 zu Pet 1-13-06-1143-041293) abgestimmt hat, daß der 9. November nicht zur Begehung als Tag der deutschen Einheit angemessen und hierzu der 3. Oktober beizubehalten sei. Damals war meine vorrangige Intention, daß statt des obrigkeitsstaatlichen Akts des Einigungsvertrags besser am 9. November die individuelle Verantwortung des einzelnen Bürgers als staatstragend herausgestellt werden sollte, ob jemand die Einheit wie in der Reichspogromnacht 1938 zerstört oder wie am 9. November 1989 wiederherstellt. Das Supergedenkjahr 2014 hat mich in dieser Überzeugung nochmals bestärkt, daß Demokratie nichts sein sollte, womit Bürger in Deutschland warten sollten, bis sie ihren alteingesessenen „Eliten“ durch verlorene Weltkriege aufgezwungen wird, weil das letztlich die zwangsläufige Folge eines Umgangs mit Bürgerrechtlern wie Robert Blum ist. Seit 2012 konzipiere ich daher vorsorglich für die Zeit danach TV.postnational.eu für ein Europa der Freiheits- & Bürgerrechte, wenn Ihr völkischer Nationalismus Europa wieder einmal in die Katastrophe geführt haben wird.

Herr Gauck, das war Ihr letzter Tag der deutschen Einheit als Bundespräsident, da Sie auf eine zweite Amtszeit verzichten, und als Prediger der völkischen Freiheit hatten Sie sich das Gepöbel am ehrgeizigsten erarbeitet, weil Ihr penetrantes völkisches „Wir“ Sie mit Ihrem Mob vereint. Westliche Freiheit ist seit der „Erfindung“ der Menschenrechte durch Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), ihrer ersten Umsetzung mit der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten vom 4. Juli 1776 und in Europa ab dem 14. Juli 1789 eigentlich immer idiotensicherer geworden zumindest bis Sie kamen: Der Mensch ist frei und muß sich dafür nicht rechtfertigen, sondern vielmehr der Staat für Eingriffe, die nur auf der Grundlage von demokratisch verfaßten Gesetzen erfolgen dürfen, durch demokratisch legitimierte Vertreter und mit tatsächlich effektivem Rechtschutz gegen Mißbrauch. Sie, Herr Gauck, haben aus dieser westlichen Freiheit penetrant eine Art völkisches Gemeinschaftserlebnis gemacht, das durch Ichlinge gestört wird, welche aber die zwangsläufige Folge Ihrer Mitte-Ideologie sind, daß die sogenannte Mitte der Gesellschaft stark zu sein hat gegen „Systemverächter“ an den Rändern, wobei diese „Ränder“ links Argumente vertreten, mit denen Sie sich gar nicht erst auseinandersetzen wollen, sowie Ihr vorgeblicher Kampf gegen den rechten Rand vertuschen soll, daß deren völkischer Nationalismus exakt derselbe wie Ihrer ist, mit dem Ergebnis, daß sich dieser rechte Rand seinerseits als Mitte der Gesellschaft definiert und an Ihrem Kohlfeiertag mit Ihnen um das Erlebnis von Stärke in dieser völkischen Mitte streitet – der in Dresden pöbelnde Mob war folglich die Vulgärform Ihrer eigenen Ideologie.

Gauck würdigt Weizsäcker: Ein Präsident vom Scheitel bis zur Sohle - Forum SPIEGEL ONLINE

Ihren Vorgänger Richard von Weizsäcker fand ich als Bundespräsidenten unspektakulär, da er mir damals nichts zu sagen hatte und ich mich an seinem aristokratischen Habitus nicht ergötzen konnte, aber meine Meinung aus den kulturell noch hochentwickelten 80er Jahren hat sich infolge einiger schlechter Nachfolger inzwischen relativiert. Vermutlich ist Herr von Weizsäcker nur deshalb zum Bundespräsidenten gewählt worden, weil er die Verurteilung seines Vaters durch das Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal sein Leben lang abgelehnt hat und sich Revanchisten damals durch ihn Oberwasser erhofft hatten. Am 8. Mai 1985 hat Richard von Weizsäcker diese Erwartungen jedoch enttäuscht und sich über seine Familienbande hinaus eindeutig von diesem Gedankengut abgegrenzt und damit auch einen Mob kleingehalten, der nunmehr Ihnen entgegenpöbelt, nachdem Sie das Supergedenkjahr 2014 leider nicht zur inhaltlichen Abgrenzung nach rechts genutzt hatten. Nationalkonservative Kreise hatten Richard von Weizsäcker damals gern als „Häuptling Silberlocke“ verächtlich gemacht, was Ihnen vermutlich inzwischen auch gesagt wurde, da Ihre Formulierung zu seinem Staatsakt, er sei ein Präsident vom Scheitel bis zur Sohle gewesen, fast überall zensiert wurde, wie auch Ihr Amtsvorgänger Horst Köhler mal die erste Strophe des Deutschlandlieds angestimmt hatte, aber merkwürdigerweise hat sich jemand anderes entschuldigt, das getan zu haben, und auch daß zusammenwächst, was zusammengehört, hatte Willy Brandt tatsächlich gar nicht gesagt.

Sie selbst habe ich auch niemals von Ihrer Vergangenheit als DDR-Bürgerrechtler erzählen hören, als der Sie sich aber von deutschen Medien penetrant inszenieren lassen. Richard von Weizsäcker sah ich hingegen mal im Gespräch mit Johannes B. Kerner, der wie ein kleiner Junge hartnäckig nach Geschichten aus dem Widerstand gegen Nationalsozialisten gefragt und Herrn von Weizsäcker damit arg genervt hatte anders als Sie, der Sie sich in eine Reihe mit den Geschwistern Scholl stellen ließen, ohne dabei schamrot zu werden, wie Hans-Jochen Tschiche anmerkte, als er Ihnen für die DDR-Oppositon die Zugehörigkeit abgesprochen hat, und mir wäre das als westDeutscher sogar noch egal, wenn Ihr gesamtdeutscher Lebenslauf wenigstens überzeugen würde. Nelson Mandela wurde zum Beispiel von Margaret Thatcher noch als Terrorist diffamiert, aber demonstrativ von der Queen empfangen, worauf Margaret Thatcher ihn solange in Downing Street 10 bearbeitet hat, daß die draußen wartenden Journalisten schon „Free Nelson Mandela“ gesungen haben. Solche Anekdoten gibt es aus ihrer Präsidentschaft keine, da Sie Bürgerrechtler nur „abseits der Kameras“ getroffen haben sollen, anstatt deren Anliegen ins Rampenlicht zu stellen, und Sie haben auch nicht mit spektakulären Begnadigungen politische Justiz korrigiert, was ja ein herausragendes Privileg des Bundespräsidentenamtes ist. Nichteinmal als Deutschlands führender Experte bei der Abwicklung von verselbständigten Geheimdiensten sind Sie aufgefallen bei den Verstrickungen deutscher Verfassungsschützer in die rechtsterroristischen Morde des NSU, wo doch die westdeutschen Geheimdienste und die Stasi eint, daß sie beide maßgeblich von altNazis aufgebaut wurden. Die Angehörigen der Opfer des NSU-Terrors bekommen wenig Aufklärung, werden aber nebenbei noch in Abgründe gezogen, daß etwa ein Tino Brandt nicht nur für seine rechtsextreme Parteiarbeit als V-Mann rund € 140.000,– erhalten hat und erst nach seiner Abschaltung 157 Fälle von sexuellem Mißbrauch von Kindern gestanden hat, darunter 45 Fälle von Zuführung minderjähriger Jungen gegen Bezahlung an Erwachsene, von denen er für 66 Fälle verurteilt wurde, als hätten die sogenannten Verfassungsschützer auch noch diese Aktivitäten gedeckt, wohingegen Sie als Bundespräsident die Opferangehörigen zugetextet hatten mit Ihrer Erwartungshaltung, wieder an diesen Staat zu glauben – wie sollen die das überhaupt schaffen, wenn nichts wirklich aufgeklärt wird, keine tatsächlichen Konsequenzen gezogen werden und auch noch beiläufig vermischte Abgründe aufblitzen, um die sich auch nicht gekümmert wird? Nun hatte ich 2012 sowieso nichts von Ihnen erwartet, und ohnehin war kein Bundespräsident jemals der Präsident aller Deutschen, sondern immer nur der von der Bundesversammlung gewählte, also lediglich eine Art Kastensprecher der Bundestags- und Landtagsparlamentarier, aber mehr wollten Sie während Ihrer Präsidentschaft ganz offensichtlich auch gar nicht sein. Als Richard von Weizsäcker mahnte, die Parteien sollten sich den Staat nicht zur Beute machen, war es für diese Warnung eigentlich schon zu spät, aber Sie, Herr Gauck sind für mich einfach nur der Ober-Ichling, der es sich behaglich in genau diesem erbeuteten Staat eingenistet hat, vor dem Richard von Weizsäcker noch gewarnt hatte.

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Herr Lammert, als langjähriger Bundestagspräsident wissen Sie ganz genau, daß dieser Pegida-Mob auch mit seiner parlamentarischen Ausformung als AfD für keine anderen Positionen steht, die mit dem Asylkompromiß 1992 sogar für eine Änderung des Grundgesetzes mehrheitsfähig waren und um die Jahrtausendwende im Rahmen von Patriotismus- und Leitkultur-Debatten aus Ihrer eigenen Partei zur politischen Willensbildung der Bevölkerung gefeuert wurden. Meinen persönlichen Respekt hatten Sie verloren, als Sie Wolf Biermann im Bundestag zu Ihrer roten Socke gemacht haben, so wie sie Pastor Hintze früher gern der heutigen Linkspartei entgegengehalten hatte, die Wolf Biermann nun seinerseits als elenden Rest der SED-Dikatur bepöbelte. Leider hat darauf nur Gregor Gysi geantwortet, der noch immer mit seiner ostHerkunft kokettiert, denn eine Nachfolgeparteien-Diskussion wäre angebrachter gewesen, zumal die Linkspartei heute wieder eine Oppositionspartei ist, wie sie das zwischen den beiden deutschen Weltkriegen war und wie das Kommunisten etwa in Frankreich immer waren. Zum preußensozialistischem Intermezzo unter sowjetischer Besatzung wäre es nämlich gar nicht gekommen, wenn nicht bürgerliche Reichstagsabgeordnete, in deren politischer Nachfolge Ihre Christen-Union steht, am 23. März 1933 als Steigbügelhalter zur Führer-Diktatur abgestimmt hätten – von Hans Globke über Hans Filbinger über zuletzt Horst Seehofers Empfang für Viktor Orbán und neuerliche Ausfälle von Günther Oettinger zieht sich eine konsequente Spur auf braunen Socken durch Ihre Partei, wobei ich besonders spektakulär Ihren persönlichen Vorstoß zu einer neuerlichen Patriotismusdebatte im Jahr 2005 fand parallel zur sächsischen CDU, deren damaliges Thesenpapier sich heute wie ein Gründungsaufruf zu Pegida liest, so daß Sie, Herr Lammert, eine Art urVater dieses pöbelnden Mobs waren. Soweit Sie jetzt immer gern die „Zivilgesellschaft“ aufrufen, den von Ihnen herbeigerufenen Mob wieder kleinzukämpfen, verkennen Sie, daß anders als in Parlamenten einfache Bürger sich niemals mit Fünf-Prozent-Hürden dieser kranken Parolen erwehren konnten, Ihr nationales Gezündel für solche Persönlichkeiten sowieso niemals eine Versuchung war und daß diese seit jeher in dieser Republik nichts anderes tun, als den von Ihresgleichen aufgepeitschten Mob so weit aus ihrem Einflußbereich zu drängen, wie das halt im Alltag zu schaffen ist.

Frau Merkel, bevor Sie Helmut Kohls „Mädchen“ wurden und Ihren politischen Aufstieg als dessen brutalstmögliche Atomministerin geschafft haben, waren Sie schon Mädchen von Lothar de Maizière und haben für diesen mal ein Kamerateam angepöbelt in einer Weise, die sich vom heutigen Lügenpresse-halt-die-Fresse kaum unterschieden hat, zumal das in den gesamten 90ern die offizielle Linie war, wenn Journalisten der im Osten entfesselte Rechtsextremismus auffiel. Bei George W Bush waren Sie „Mädchen“, haben ihn als Klima-Queen geneckt, sich preisen lassen „She's smart, she's clever“, ihn aber auch den stärksten Mann der Welt sein lassen, der ihre Klima-Ambitonen stoppen durfte, und nach seiner Präsidentschaft hat Sie Klimaschutz nicht mehr interessiert. Zuletzt waren Sie bei Erdoğan mal wieder „Mädchen“: Dem stand in der Türkei noch oppositioneller Druck für demokratisch-rechtstaatliche Reformen entgegen, dem er für einen EU-Beitritt hätte nachgeben müssen, als Sie einen solchen mit Ihrem Konzept einer „Privilegierten Partnerschaft“ ausgeschlossen hatten, und jetzt, da Erdoğan seine Opposition plattgemacht hat, kommt er für Sie offensichtlich besser als Vertragspartner für schmutzige Flüchtlingsdeals in Betracht, nachdem Sie alle Entwicklungsperspektiven vergeudet haben.

Von Ihrer Kanzlerschaft wird kein Ertrag bleiben, weil Sie alles abgefeiert haben, sowie Deutschland und Europa abgewirtschaftet hinterlassen werden wie Ihr Freund George W Bush die USA und die Weltwirtschaft. Ihre Kanzlerschaft war bisher eine einzige Ackermann-Sause, in der sich alteingesessene Eliten mit Ihnen nochmal selbst feiern konnten wie SED-Privilegierte in jenen Datschen, die mit westlichem Luxus durch Alexander Schalck-Golodkowski ausgestattet worden waren. Als diese Republik 1998 mal kurz einen Bundesfinanzminister hatte, der die Regulierung der Finanzmärkte angehen wollte und dafür von seinem Bundeskanzler gestoppt wurde, mit ihm sei keine Politik angeblich „gegen die Wirtschaft“ zu machen, haben Sie hämisch gejohlt und lassen heute die Menschen in Griechenland mit dem Regulierungsversagen Ihrer schwarzen Null ebenso allein wie mit Ihrem eigenen Versagen beim Organisieren von Mehrheiten für eine europäische Flüchtlingspolitik, so wie Sie insbesondere Italien seit jeher mit den Mittelmeerflüchtlingen alleingelassen hatten. Dabei hatten Sie es in der Hand, europäische Flüchtlingspolitik zu organisieren, denn die Regierungen von Ungarn, Polen und Großbritannien, die zuletzt maßgeblich fremdenfeindlichen Nationalismus in Europa schürten, gehörten allesamt zur Koalition der Willigen, welche die Flüchtlingswelle zu verantworten hat, weil sie mit George W Bush in seinen Kreuzzug gegen dessen Achse-des-Bösen gezogen waren, vorgeblich um Massenvernichtungsaffen im Irak zu suchen, womit die gesamte Region destabilisiert wurde – Sie hätten einfach nur zu sagen brauchen: „So blöd war ich auch“, weil auch Sie als Oppositionsführerin sich Donald Rumsfeld angeschmissen hatten, sie trügen das neue Europa in sich, um politisches Kapital aus Gerhard Schröders Widerstand gegen den Irak-Krieg zu ziehen, worauf übrigens die Überwachung Ihres Mobiltelefons durch die NSA begann. Stattdessen haben Sie mit Ihrer Flüchtlingskrise nur Ihren höchstpersönlichen Politikstil optimiert, als Sie sich an die Spitze der Mitgefühlswelle gestellt hatten, bevor sich der Mob dagegen formieren konnte, um dann Ihre CDU-Haudegen das Asylrecht demontieren zu lassen und andere EU-Partnerländer als schuldig für Ihr Nichtstun hinzustellen. Da sowieso klar war, daß die Flüchtlinge in Unterschichtenstadtteilen landen, hat Ihre schwarze Null auch auf Steuererhöhungen für die Versorgung der Flüchtlinge verzichtet, weil begründbar nur eine Reichensteuer gewesen wäre, und Ihr edles deutsches Unternehmertum wollte auch schon den gesetzlichen Mindestlohn aufweichen, vorgeblich um Flüchtlingen Arbeitsperspektiven zu „gönnen“ – Ulrike Meinhof hat in ihrer vorterroristischen Zeit mal eine Kolumne geschrieben, wie Gastarbeiter zur Spaltung der Arbeitnehmerschaft eingesetzt wurden, und das läßt sich heute noch 1:1 auf Ihre Flüchtlingspolitik übertragen. Das noble Harvestehude ist Ihr Heimatstadtteil in Hamburg, und dort lassen sich Anwohner sogar photographieren für diese Meinungen, denn: „Die Leute möchten hier in Ruhe ihren Luxus leben“ – genau diesem Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn der Arrivierten rennt Ihre Politik hinterher, und der ebenfalls sozial bessergestellte Pegida-Mob brüllt für dieselbe Politik, als müßten die Angst haben, daß auf Ihre Flüchtlings-freundlichen Textbausteine irgendwelche Taten folgen würden.

Dem Modebegriff vom „postfaktischen Zeitalter“ konnten Sie umso kritischer gegenüberstehen, Frau Merkel, da Sie genau wußten, daß Sie Ihren politischen Aufstieg seit jeher gegen Fakten erreicht hatten. So wußten Sie als Physikerin ganz genau, daß Sachsen-Anhalts Umweltministerin Heidrun Heidecke mit ihren Argumenten gegen das Atommüll-Endlager Morsleben recht hatte, als sie diese mittels ihrer Weisungsmacht als Bundesumweltminsterin brachen. Daher ist auch auf Ihre ewige Angst Verlaß, daß Ihre Altlasten Sie einholen könnten, wie auf Fukushima vor einem Superwahljahr mit Ihrer Wiederherstellung des gerade von Ihnen rückgängig gemachten Atomausstiegs oder mit Ihrer Inszenierung als Mutter-Theresa-der-Flüchtlinge aus Angst vor ihrer Altlast mit Warlord Rumsfeld. Nur löst Ihre ewige Selbstinszenierung als Mutti-kümmert-sich kein einziges Problem, wofür insbesondere die Asse steht, für die niemand so verantwortlich ist wie Sie aus Ihrer Zeit als Bundesumweltministerin und später als Bundeskanzlerin, von der Sie schließlich auch wissen, daß die Räumung systematisch verzögert wird, selbstverständlich in der Hoffnung, daß das eindringende Wasser den Salzstock endlich zum Einstürzen bringt und nicht mehr ans Licht kommt, was Umweltverbände vermuten, daß dort auch massiv illegal Atommüll eingelagert wurde. Das Problem ist nur, daß in den Schubladen Ihrer Ministerien seit dem Atomausstieg keine von anderen vorbereiteten Konzepte mehr liegen, nach denen Sie aus Angst vor einem Hochkommen Ihrer Altasten grabschen könnten – Sie haben alles abgefeiert. Was wenn die Deutschland-Blase platzt, die derzeit Ihre ganzen positiven Wirtschaftsindikatoren mit Mario Draghis üppig gedrucktem Geld aufbläht und wenn dann diese ganzen Rettungsschirme genannten Schattenhaushalte fällig werden, mit denen Sie alle Problemlösungen in die Zukunft verbucht haben? Uschi von der Leyen hat gerade die Alte Ordnung wiederhergestellt, daß der Adel mit Plagiaten durchkommt, was bei Karl-Theodor zu Guttenberg vorübergehend mal durcheinandergekommen war, der aber dafür die Bundeswehr schon zu einer „ossifizierten Unterschichtenarmee“ gemacht hat – was also wenn Ihre Kriegsministerin auch noch restaurieren will, daß früher der Adel den Pöbel alle paar Jahrzehnte durch Kriege dezimiert hatte, zumal der Rückfall Europas in die nationalistische Kleinstaaterei genau das vorbereitet? Das vom Küchenverkäufer in der Uckermark Augustinat prophezeite Chaos ihrer Kanzlerschaft ist jedenfalls lange schon real existierender Fakt.

Niedlich in Dresden war immerhin Claudia Roth, wie sie sich tapfer dem Mob zum Reden entgegenstellte, um dann festzustellen, daß dieser ihre Offenheit gar nicht erwidern wollte. An so einem Punkt war ich während meiner drei Jahre in Sachsen-Anhalt am 16. Mai 1997, als ich in Halberstadt akzeptieren mußte, daß viele ostDeutsche so eingefroren im preußischen Dünkel sind, daß schon westDeusche für sie volksfremde Migranten sind, mit denen sie sich keinesfalls arrangieren wollten. Damals war das noch nicht dramatisch, und mit einer konsequenten Abgrenzung von dieser Mentalität begann Ende der 90er in den neuen Bundesländer erst der Spaß viel interessanteren Persönlichkeiten zu begegnen auch in einem damals dort lebendigen kulturellem Umfeld, das inzwischen verschwunden ist, wie kritische Fernsehsender in Russland. Es war noch möglich und einfach, diesem Mob mit sachorientierter und konsequent bürgerrechtsliberaler Arbeit zu trotzen, und damit war damals noch einige Anerkennung insbesondere auch von ostDeutschen zu bekommen bis ab dem 1. April 1999 genau dafür meine berufliche Aussonderung durch einen westReaktionär in jenem Oberlandesgericht Naumburg begann, dem selbst Bundesverfassungsgericht später Entscheidungen außerhalb seiner Zuständigkeit unter Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht“ vorwarf und das selbst Hans-Christian Ströbele als Prozeßbeobachter schockte, er hätte dergleichen „in 30 Jahren Strafverteidigung noch nie erlebt“. Am 25. April 2002 zerstörten drei Bundesverfassungsrichter endgültig meine Arbeit, exakt am Tag bevor Robert Steinhäuser für weniger Zerstörung, aber auch mit weniger übrig Amok gelaufen ist, und drei weitere Bundesverfassungsrichter deckten meine berufliche Aussonderung mit demselben Korpsgeist, der kürzlich bezüglich den altNazis in der Rosenburg kommentiert wurde mit: „Es wurde niemand irgendwie der Strafverfolgung übergeben, sondern man stand dann zu den Leuten, für die man sich einmal entschieden hatte“. Im Fahrwasser eines solchen Korpsgeists aus westdeutschen Juristen, Freisler-Traditionalisten in bundesdeutschen Richterroben, die sich im Einheitstaumel in den neuen Bundesländern in die Staatsbesoldung geseilschaftet und sich lieber der Stasi-Kultur angepaßt haben, als tatsächlich rechtstaatliche Werte zu etablieren, konnte nicht viel anderes wachsen als Rechtsextremismus bis Rechtsterrorismus, weil Persönlichkeiten gar nicht gewollt waren, für die völkische Ideologie gar keine Versuchung war, denn vereinfacht haben diese westReaktionäre im Osten ihre „Demokratieschüler“ an der Unterwürfigkeit erkannt und vermeintliche „Kommunisten“ an der selbständigen Meinung – und genauso sieht das in den neuen Bundesländern heute aus: Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommerm, wo Sozialdemokraten die ersten Richter und Beamte auf Lebenszeit eingestellt hatten, haben 26 Jahre nach der Wiedervereinigung deutlich weniger Probleme mit Rechtsextremisten als Sachsen oder Thüringen, wo unter langjähriger CDU-Herrschaft sogar Rechtsterrorismus wuchern konnte, wohingegen Sachsen-Anhalt zwar ebenso reaktionär eingestellt hatte, aber daraufhin die rot-grüne Landesregierung Höppner mit Duldung der damaligen PDS erlebt hat und dann eher gemäßigt konservative Regierungschefs, aber derzeit bedarf es schon einer ganz großen Koalition aus CDU, SPD & realoGrünen, um gegen 25 Rechtspopulisten von der AfD überhaupt noch eine Regierung zu bilden, und die Verfahrensstände zu Oury Jalloh, Hans-Jürgen Rose & Mario Bichtemann kennzeichnen trefflich die rechtstaatlichen Zustände in Sachsen-Anhalt.

Damit wäre ich dann auch bei Ihnen angelangt, Herr Voßkuhle, der Sie für eine dritte Staatsgewalt stehen, die sich nicht weit von ihrer Rolle als Hofschranze preußischer Kaiser emanzipiert und bis heute keinerlei Ansätze zu tatsächlich effektivem Grundrechteschutz entwickelt hat, was ich umso besser weiß, da für mich gar nichts anderes in Betracht kam. Nach wie vor halte ich es für falsch, daß Ihr Gericht auf meine entsprechende Verfassungsbeschwerde die „Blockade des selbständigen Denkens“ als Zugangshürde zum Richteramt und damit auch für Rechtsanwälte beibehalten hat, die Ihr Richterkollege Ernst-Wolfgang Böckenförde sogar unter Applaus der damaligen Justiz-Elite in NJW 1997, 2935 beklagt hatte. und meine berufliche Aussonderung dafür mit einem erbärmlich rechtswidrigen Disziplinarverfahren belegt für mich noch immer, wie sehr die bundesdeutsche Justiz im Korpsgeist steckt, den der Hitler-Biograph Ian Kershaw als „Dem Führer entgegen arbeiten“ herausgearbeitet hatte. Kürzlich hatte ich mal wieder gelacht über die Zurückweisung einer Richterablehnung wegen Befangenheit gegen Ihren berichterstattenden Bundesverfassungsrichter Peter Müller im NPD-Verbotsverfahren, dessen Äußerungen zuvor als Ministerpräsident irrelevant gewesen sein sollen, weil es ja nicht auf die Richterpersönlichkeit ankommt, sondern nur auf die Pose, denn das war immerhin konsequent ehrlich in einer geistfeindlichen Justiz, die ihren Nachwuchs seine Ausbildungszeit mit opportunistischem Auswendiglernen vergeuden läßt. Die NPD macht übrigens jene Bundesbürger zu Wahlbürgern, denen die AfD zu intellektuell und die Reichsbürger zu bräsig sind – insbesondere weil die NPD seit der Abschaltung der V-Leute keine nennenswerte Rolle mehr spielt und weil Parteiverbote ein gefährliches Instrument in der Hand von Mitte-Ideologen sind, reicht mir das eigentlich um zu befürchten, daß ein NPD-Verbot eher politisches Versagen bei der V-Mann-Führung vertuschen als tatsächliche Gefahren abwehren soll, zumal es die NPD in ostdeutschen Landtagen immer unmöglich gemacht hat, rechtsextreme Probleme zu verleugnen. Das werde ich am 17. Januar 2017 erfahren, aber wenn Tatjana Festerling irgendwann mit ihren Mistgabeln auch vor Ihrem Bundesverfassungsgericht steht, dann war mir das mit diesem Beitrag zum 9. November 2016 sehr wichtig klarzustellen, daß das der von Ihrer eigenen Kaste entfesselte Mob sein wird und nicht meiner, weil ich schon immer für eine andere Perspektive stand und immer dafür stehen werde

Ihrem neopreußisch-nazional wiedererweckten Deutschland kann ich mich schon lange nicht mehr anpassen, weil ich gar nicht so degenerieren kann. Dafür stehen Sie, Herr Gauck, Herr Lammert, Herr Voßkuhle und Frau Merkel, dafür steht Ihr erbärmlicher 3. Oktober und dafür standen Sie als Vertreter des Bundes und der drei Staatsgewalten dieses Jahr verdient Ihrem Mob gegenüber, und letzte Nacht haben Sie in den USA mit dem Wahlsieg von Donald Trump gegen Hillary Clinton sehen können, wie schnell ein Rechtspopulist dieselbe Geistfeindlichkeit aufgreift, die dort die Fundamentalopposition der Republikaner und ihre Tea Party etabliert haben, so wie Sie das mit Ihrem völkischen Patriotismus seit der Wiedervereinigung betreiben.





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