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© Dirk Burchard am 1. März 2006 www.ryker.de/dirk/archiv/merkel.html

Frohes Scheitern, Frau Merkel, und bitte bald...

Am Aschermittwoch ist alles vorbei, auch die 100-tägige Schonfrist für die erste Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wird Sie nicht durch einen Abgang à la JFK zum Mythos, wird sie auch die erste Altkanzlerin werden. Und letzteres ist den Menschen in Deutschland baldigst zu wünschen, denn nur in einer politischen Überwindung ihrer Machtausübung liegen Chancen für den demokratischen und gesellschaftlichen Fortschritt.

Angela Merkel steht beispielhaft für einen Weg, über den die meisten ostDeutschen ihren Weg in die Bundesrepublik und zur D-Mark gesucht und gefunden haben: Sie hat sich reaktionären westDeutschen angebiedert und angedient, um west- und ostdeutsche Bürgerrechtler zurückzudrängen. Helmut Kohl als Bundeskanzler nannte sie sein Mädchen, und für ihn war sie Quoten-Ossi, Quoten-Frau und Bundesumweltschutzverhinderungsministerin gegen die ihm verhaßte Umweltbewegung. Beispielhaft für ihren Politikstil bleibt ihre sogenannte Ozonverordnung: Als Mitte der 90er entsprechende Schutzbedürfnisse zahlreicher Menschen die Medien dominierten setzte sie die §§ 40a-40e BImSchG (Bundesimmissionsschutzgesetz) durch, mit denen Fahrverbote geregelt wurden für ein Zusammentreffen bestimmter Meßergebnisse, die es zuvor niemals gegeben hatte und die es auch künftig niemals geben würde.

Merkel hatte für Kohl ihr Talent zu symbolischer Politik ohne jegliche Folgen entdeckt, und als Bundeskanzlerin setzt sie das nahtlos fort: Um zu ihrem Antrittsbesuch bei George W Bush nicht als Kriecherin dazustehen, äußerte sie wenige Tage vor ihrer Reise in die USA vorsichtige Kritik am Gefangenenlager Guantanamo ohne die dortige Folter überhaupt anzusprechen. Politisch war ihre Äußerung in den USA bereits abgehandelt als sie eintraf, und wie gleichgültig ihr die Folterungen tatsächlich waren, belegt der Umstand, daß der dort festgehaltenen Deutschtürke Murat Kurnaz für Merkel niemals ein Thema war und dessen Freilassung bis heute nicht erfolgt ist. Sollte diese irgendwann erfolgen, wird das vielmehr Bürgerrechtsaktivisten in den USA zu verdanken sein, die dort konsequent gegen das Foltercamp auf Kuba streiten, denn alles, was man in Europa über Menschenrechtsverletzungen der US-Regierung weiß, weiß man von US-Bürgerrechtlern über die US-Presse. Umso erbärmlicher, daß Merkels effektive Anbiederung bei Bush von deutschen Journalisten als Neuanfang der deutsch-amerikanischen Beziehungen gefeiert wurde, denn die US-Bevölkerung ist bezüglich ihrer Meinung zu Bush inzwischen längst weiter als Merkel, insbesondere nachdem dieser zur Hurrikankatastrophe in New Orleans bewiesen hatte, daß Heimatschutz für ihn nur ein Vorwand zur Kriegführung war und niemals politische Leitlinie. Aber da ist Merkel aus demselben Holz geschnitzt und ihr Versagen in Krisenfällen ebenfalls abzusehen. Die Beendigung des Entführungsfalls Susanne Osthoff erledigte praktisch noch Gerhard Schröder, während aus Merkels Verantwortungsbereich, nämlich den von ihrem Kanzleramtsminister koordinierten Geheimdiensten, lediglich Meldungen gestreut wurden, die Osthoff persönlich und insbesondere Ihre Erfahrungen aus dem Irak diskreditieren sollten, zumal die Archäologin Susanne Osthoff mit ihrer idealistischen Leidenschaft, sich konsequent für Sachthemen zu engagieren, einen grundsätzlichen Kontrast zu Angela Merkel verkörperte. Als Bundesaußenminister Steinmeyer am 30. November 2005 im Bundestag gegen vermeintliche Entsolidarisierungen mit der damals entführten Susanne Osthoff anredete etwa durch Fragen, was diese Frau eigentlich im Krisengebiet Irak zu suchen gehabt hätte, wollte er vermutlich vor allem seiner Regierungschefin vorauseilend widersprechen. Das Schicksal der noch immer im Irak entführten Ingenieure interessiert Merkel ganz offensichtlich noch weniger, und für sowas bezeichnete der heutige Vizekanzler Franz Müntefering Merkel im Wahlkampf noch als kalte Tante.

Während Kohl die Vertreter von kritischem Gedankengut noch bekämpft und Schröder diese vor allem ausgegrenzt hat, vereinnahmt Merkel deren Argumente für Lippenbekenntnisse und macht ihre Urheber damit mundtot, weil diese ihr nur noch hinterherplappern könnten. So kann sie überall in der Welt Menschenrechte ansprechen und darüber sogar Einigkeit herstellen, ohne daß dies überhaupt irgendwelche Folgen hat. Genau für diese weiche Gleichschaltung wird sie von Bush und Putin geschätzt. Nicht daß es falsch gewesen wäre, daß Merkel sich in Moskau mit Soldatenmüttern hat filmen lassen, die sich gegen brutale Mißhandlungen ihrer Söhne in Putins Armee engagieren. Aber damit hat sie sich genau wie bei Bush nur auf ein kleines Detail beschränkt und die in Rußland zum Teil noch dramatischeren Mißstände Tschetschenienkrieg, Korruption und Pressefreiheit ausgeblendet. Als in Südafrika noch die Apartheid vorherrschte war es zum Beispiel die Queen, die Nelson Mandela weltweit ins Rampenlicht gezogen hatte - zu solchen Leistungen fehlt Angela Merkel leider jede Kompetenz, da sie schon in der DDR in der Masse untergegangen ist und auch niemals Ambitionen hatte, sich für Bürgerrechte einzusetzen - folglich werden ihr Bürgerrechtler eher Angst bereiten, für ihren Kuschelkurs mit Despoten bloßgestellt zu werden.

Merkel steht für eine endgültige Entsachlichung der bundesdeutschen Politik, in der keine Sachthemen mehr abgearbeitet werden, sondern nur noch Betroffenheit erklärt und symbolisch reagiert wird. Da fliegt sie kurz nach Rügen, ist besorgt wegen der Vogelgrippe, und das war's dann. Sie bedient sich dabei einer Arbeitsteilung, wie sie die CDU derzeit vergleichsweise erfolgreich in Hamburg und Niedersachsen erprobt. Nach dem Guter-Cop-böser-Cop-Prinzip werden dort der Erste Bürgermeister Ole von Beust und der Ministerpräsident Christian Wulff als Sonnyboys inszeniert, die schon allein aus Nächstenliebe zu ihren Senatoren und Ministern stehen, die wiederum - selbstverständlich mit Billigung ihrer Regierungschefs - für das Durchtreten der Asozialitäten zuständig sind. Selbst Ministerpräsidenten wie Roland Koch oder Edmund Stoiber, die immerhin noch merklich aus der Ära der Profilierung mit Sachargumenten stammen, sehen dagegen blaß aus, und die SPD, die mit Matthias Platzeck ein ähnliches Konzept im Brandenburg umgesetzt hat, verzeichnet massive Profilprobleme seit sich dieser zum Parteivorsitz vorgedrängelt hat. Ole von Beust brachte diesen Politikstil allein über feudale Inszenierung auf den Punkt als er für die CDU formulierte: Das Gerede von der angeblichen Notwendigkeit, das Profil zu schärfen, ist weder für die Partei klug noch gewinnt man damit Wahlen. Auch Merkel praktiziert diese Arbeitsteilung, äußert sich nur selten zu politischen Sachfragen und ließ ihren Viezekanzler Müntefering die ungeliebte Rente mit 67 durchsetzen. Derweil reist sie um die Welt, sieht an der Seite von Despoten wie Berlusconi, Sarkozy oder Bush immer am glücklichsten aus und wirkt überall wie eine Touristin, die Photos von sich neben Prominenten sammelt.

Größte Posse der 100 Tage Bundeskanzlerin Merkel bleibt diese Aufschwung-Euphorie ohne jeglichen Anlaß und die seit zwei Monaten gespielte Überraschung, daß die offizielle Arbeitslosenzahl doch immer wieder die 5-Millionen-Marke gerissen hat, und daß obwohl massenhaft Arbeitslose durch die 1-€-Sklaverei nach Hartz IV zu Zwangsarbeit und aus der Statistik gedrängt wurden. Die inszenierte Euphorie erklärt sich leicht, wenn man sich erinnert, daß Helmut Schmidt der Bundeskanzler war, der die alte Bundesrepublik durch die Weltwirtschaftskrise der 70er Jahre zu führen hatte. Das hatte er immerhin mit seinem sachlich-nüchternen Pflichtbewußtsein auch getan, und liberale Reformen, die ihren Namen verdienten und insbesondere unteren sozialen Schichten endlich Zugang zu Bildungschancen eröffneten, waren als Folge der Proteste von 1968 bereits unter Willy Brandt gestartet worden. Beides bewirkte Anfang der 80er Jahre einen gigantischen Wirtschaftsaufschwung, für den sich Helmut Kohl unverdient feiern ließ und den er lediglich umverteilte, weg von denen, die ihn erwirtschaftet hatten. Ende der 80er war dieser Aufschwung verpufft und abgefeiert, Kohls Wiederwahl war aussichtslos, und da fand er nach dem Fall des antifaschistischen Schutzwalls in den Jubelpreußen erneut Gefolgschaft, die sich durch seine Währungsunion von 1990 kaufen ließen, seine Macht zu sichern, so daß Birgit Breuel mit dem Schattenhaushalt der Treuhandanstalt Billionen von D-Mark in CDU-nahe Wirtschaftskreise privatisieren konnte. Dieselben Kreise hoffen heute auf einen Wirtschaftsaufschwung infolge der von Gerhard Schröder Agenda 2010 bzw Hartz 1-4 genannten Spargesetze und darauf, daß Angela Merkel die Erträge erneut umverteilen wird. Brisant dabei ist die Rolle des heutigen Bundespräsidenten Horst Köhler. Der war nämlich bereits zu Kohls Stimmenkauf mit der Währungsunion im Bundesfinanzministerium aktiv und ab 1990 als Staatsekretär einer der Hauptverantwortlichen für den Schattenhaushalt der Treuhandanstalt sowie für den gescheiterten Aufbau Ost. Dessen riesige Transfersummen versickern bis heute in weitgehend uneffektiven Kanälen, zumal Kohls Stimmenkauf von 1990 auch zur Machtübergabe an dessen Schergen in den meisten neuen Bundesländern geführt hatte als die grundsätzlichen Weichen zu stellen und der gesamte Beamten- und Richterapparat neu einzustellen war. Lediglich das Bundesland Sachsen ist durch eine Adaption der bayerischen Amigowirtschaft immerhin in seinen Metropolen wirtschaftlich vergleichsweise erfolgreich, während das sich am konsequentesten von Kohl abgegrenzt habende Mecklenburg-Vorpommern auffallend skandalarm geblieben ist und sich mit dem Ostseetourismus auch am konsequentesten auf seine traditionellen Stärken besonnen hat. Mag Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus die neuen Bundesländer auch noch so penetrant junge Bundesländer nennen, strukturell sind sie eine umetikettierte, miefige DDR geblieben, weil sich das Buhlen der ostdeutschen Ministerpräsidenten in Berlin um Transferleistungen westdeutscher Steuerzahler wenig von der Verteilung der Devisen eines Alexander Schalck-Golodkowski unterscheidet und insbesondere der Versorgung der eigenen Machtgruppen anstatt einem effektiven Aufbau-Ost dient. Da liegt so unglaublich viel im Argen, daß es für eine dauerhafte Aufbruchstimmung nicht ausreichen wird, daß Angela Merkel nach acht Jahren als Helmut Kohls Talarwanze und nach sieben Jahren Gekeife gegen Rot-Grün nun gelegentlich auch mal lächelt, zumal sie ihre Ideologie Der Westen muss so werden wie der Osten heute ist künftig vor allem so umsetzen wird, daß die westDeutschen sich ihr zu unterwerfen hätten wie die Jubelpreußen damals Kohl.

Immerhin spielt Merkels Geschlecht keine Rolle. Sicher, selbst die CDU hat schon couragiertere Politikerinnen hervorgebracht. Rita Süßmuth zum Beispiel hatte Anfang der 80er die von Peter Gauweiler (CSU) geschürte AIDS-Hysterie politisch überwunden, der HIV-Positive internieren wollte. Stattdessen etablierte Süßmuth das Leitbild der HIV-Prävention insbesondere mit Kondomen, wofür in der alten Bundesrepublik schon ein breites gesellschaftliches Bewußtsein geschaffen war bis gesamtdeutsch der Sex ohne Gummi wieder in Mode kam. Eine auch ansatzweise damit vergleichbare politische Leistung wird Angela Merkel niemals zugeschrieben werden können, weil sie politisch für nichts steht. Sie ist gestrickt wie George W Bush, der sich wie ein schwächlicher Schuljunge auf dem Schulhof Haudegen vom Schlage Rumsfeld, Cheney oder Ashcroft zu Freunden macht. Genauso hat Merkel immer in Parolen irgendwelcher Unions-Haudegen eingestimmt, ob es die die Kopfpauschale zur Krankenversicherung von Roman Herzog war, Paul Kirchhofs Steuerphantasien oder die Vorfahrt für Arbeit von Horst Köhler. Nur in der Union hatte sie eine Chance mit solch dreister Koketterie ihren Aufstieg zu schaffen, indem sie sich den Hierarchien der Alt-Reaktionäre angebiedert hat. Inhaltlich steht die CDU danach heute für den Muff der 50er Jahre, den selbst diese Partei in den 90ern hätte überwinden müssen, wenn sie sich ausschließlich westdeutschen Wählern zu stellen gehabt hätte. Stattdessen brachte die Wiedervereinigung den großen kulturellen Dammbruch zurück in die AdenauerÄra, womit Kohl zuvor acht Jahre lang gegen die westDeutschen gescheitert war und der ihm erst ab 1990 gemeinsam mit seinen per Währungsunion gekauften Jubelpreußen gelang. Der Gewerkschaftsflügel der SPD oder Aktivisten, welche die grüne Partei gegründet hatten bis ihre Aufbauarbeit von den Realos vereinnahmt und für ein bißchen Teilhabe an der Macht abgefeiert wurde, waren es, die auf hohem sachlichen Niveau gegen Schröders angebliche Reformen argumentiert hatten, während Merkel die Bundesratsmehrheit der Union genutzt hatte, um Schröder zu noch asozialeren Reformen zu treiben und neben ihm ständig Widerspruch vortäuschend mit ihrem Kopf geschüttelt hat. Diese politische Falschheit hat sich für Merkel ausgezahlt, um ihren Machtanspruch zu verwirklichen, ihre persönliche Glaubwürdigkeit bleibt aber dauerhaft ruiniert. Tief in ihrem Herzen ist Angela Merkel eine Stalinistin. Denn genauso wie die Kommunisten in Rußland die Terrorherrschaft des Zarenregimes überwunden haben, ist Gerhard Schröder durch seinen Bruch mit Gewerkschaften und Arbeitnehmerinteressen bei den SPD-Wählern in Ungnade gefallen, und genauso wie Stalin die feudale Terrorherrschaft mit neuem Etikett fortgeführt hatte, genausowenig schert sich heute Angela Merkel um ihre Untertanen.

Selbst bei ihrem ersten EU-Gipfel am 16./17. Dezember 2005 gelang es ihr, sich auf Kosten von Jaques Chirac und Tony Blair zu profilieren, indem sie einfach nur als graue Maus herumsaß und sich zu Auseinandersetzung der beiden gelegentlich dazubitten ließ, wenn diese deutsche Interessen berücksichtigen wollten. Durch Projektion simpler Weiblichkeitsklischees auf Merkel legte die deutsche Presse ihr das als Vermittlungsleistung aus, ohne überhaupt zu hinterfragen, was denn ihre konkreten Vermittlungsvorschläge gewesen sein sollen. Umso lustiger, daß dieses Ergebnis dann im EU-Parlament durchfiel und plötzlich niemand mehr von Merkels Kompromiß sprach, der da gescheitert war. Merkel konnte nichtmal vermitteln als ihre Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen wie immer feist lächelnd Steuergeschenke für Reiche als Familienförderung durchsetzen wollte, während Bundesfinanzminister Peer Steinbrück auch untere Einkommensschichten berücksichtigen wollte und sich damit als der bessere Familienpolitiker zeigte.

Traurigste außenpolitische Fehlentscheidung Merkels war die Weigerung ihrer Regierung, Blauhelmtruppen bei der Sicherstellung demokratischer Wahlen im Kongo zu unterstützen. Bald darauf tobte der sogenannte Karikaturenstreit insbesondere durch den vom Iran aufgepeitschten Mob, was den immensen Flurschaden von George W Bushs Irakkriegs dokumentiert, denn vor diesem waren Demonstrationen für Bürger- und Freiheitsrechte im Iran noch an der Tagesordnung. Einsatz für freie Wahlen in Afrika wären also ein herausragendes Zeichen für eine positive Vision gewesen, wenn denn die Bundeswehr schon seit 1990 von der Verteidigung der Landesgrenzen für Auslandseinsätze umfunktioniert wurde. Stattdesen dominieren nun Meldungen über einen drohenden Bürgerkrieg im Irak die Medien, ohne daß positive demokratische Visionen noch durchdringen können. Aber Angela Merkel glaubt nunmal an ihre Feudalherrschaft und nicht an Demokratie.

Es ist noch nichtmal eine Politik der kleinen Schritte, wenn Angela Merkel als Leistung ihrer ersten 100 Tage eine sogenannte Förderalismusreform zugeschrieben wird. Eine wirkliche Reform war das nicht, sondern lediglich eine Einigung zwischen Bund und Bundesländern in welchen Fachbereichen man sich aus pragmatischen Gründen gegenseitig nicht mehr in die Quere kommen will und folglich auf durch Entscheidungsmacht abgesicherte Mitspracherechte verzichtet. Das ist lediglich ein Kniefall vor der Neigung deutscher Politiker, die förderalen Strukturen zur parteipolitischen Blockade zu mißbrauchen, anstatt sachthemenorientiert Einigung herzustellen. Eine tatsächliche Reform hätte daher vielmehr die Frage aufgeworfen, wie der Föderalismus besser genutzt und ausgebaut werden kann, damit wieder mehr Gesetze beschlossen werden, die eine Mehrung von Bürger- und Freiheitsrechten sowie eine effektive Risikovorsorge sicherstellen. Dem Föderalismus verdankt die Bundesrepublik nämlich unter anderem, daß zuerst in den alten Bundesländern Problembewußtsein für Daten- und Umweltschutz wachsen konnte und entsprechendes KnowHow gesammelt wurde. Bezüglich des Umweltschutzes beendete die Bundesregierung unter Helmut Kohl zum Beispiel erst 1986 etwas von ihrem Widerstand und richtete zur Beschwichtigung der Bevölkerung nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl erstmals ein Bundesumweltministerium ein. Auch mit ihrer sogenannten Förderalismusreform kommen Altlasten von Angela Merkel wieder hoch: Als Kohls Bundesumweltministerin hatte sie einen Entwurf zu einem Umweltgesetzbuch um fortschrittliche Instrumente kastrieren lassen, um das Schutzniveau des bundesdeutschen Umweltrechts weiterhin niedrig zu halten. Für dieses Umweltgesetzbuch hat sich nun der Bund mit der sogenannten Förderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz gesichert, und es ist zu erwarten, daß darüber erneut die ohnehin niedrigen Umweltstandards in Deutschland massiv herabgesetzt werden sowie durch eine Schwächung von Kontrollen und Sanktionen ein Vollzugsdefizit erzeugt wird.

Seit der Wiedervereinigung von 1990 wurden kritische Auseinandersetzungen mit Sachfragen weitgehend unterbunden, die Helmut Kohl bis zum Fall des antifaschistischen Schutzwalls nicht brechen konnte. Der demokratische Flurschaden der Jubelpreußen, für die Angela Merkel steht, ist immens. Anfang der 90er hatte immerhin der SPIEGEL noch der Treuhandanstalt couragiert auf die Finger geschaut und ist heute nach dem Tod seines Herausgebers Rudolf Augstein ein geschwätziges Blatt unter vielen geworden, wie seine Tochter Franziska Augstein leider zutreffend beanstandet. So waren es bereits Blogger, welche die nationalistische Jubelkampagne Du-bist-Deutschland in ihr rechtes Licht gerückt haben. Auch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist nichts mehr zu erwarten. Wer in den 80ern die tagesthemen mit Hanns Joachim Friedrichs als journalistischen Standard erlebt hat, der seine Rundfunkgebühren immerhin wert war, kann heute diese Und-damit-hören-wir-auf-Wills oder die Geruhsame-Nacht-Wickerts nicht mehr ernst nehmen, wenn schon Thomas Roth im Beschwicht aus Berlin vom 26. Februar 2006 lügt, die ersten 100 Tage von Angela Merkel seien bereits rum, obwohl ihr 100. Tag als Kanzlerin exakt auf Aschermittwoch fällt, an dem bekanntlich alles vorbei ist. Er und seine Kollegen sind nur noch Herolde ohne jeden journalistischen Anspruch, während Sabine Christiansen nichtmal das ist, sondern Rundfunkgebühren dafür kassiert, um Lobbyisten eine Plattform zu bieten, in der diese sich als Experten inszenieren und sich vor geheimdienstlich überprüftem Publikum an Arbeitnehmervertretern oder einem linken Spektrum zugeordneten Parteivertretern abarbeiten können.

Niermand sollte Hemmungen haben, Angela Merkel ihr Scheitern zu wünschen, denn sie hatte auch keine als sie sich am 22. Dezember 1999 in der Frankfurter Allgemeinen an ihrem Förderer profilierte, die CDU müsse lernen, ohne das alte Schlachtross Helmut Kohl eigene Wege zu gehen. Nachdem Angela Merkel die gesamten 90er Jahre mit westReaktionären und deren Ideologie gezündelt hat, in deren Fahrwasser letztlich auch der rechtsextreme Mob erstarkt ist, hat sie keinerlei Anspruch auf den Respekt derer, denen sie damals bei deren konsequenter Distanzierung von solchen Ideologien in den Rücken gefallen ist. Die politische Überwindung Merkels sollte eigentlich eine demokratische Fingerübung sein, um wieder zu mehr Sachthemenorientierung in der Politik zu gelangen, denn der geschürte Merkel-Jubel bewegt gar nichts. Es wird ein guter Tag für Deutschland, wie sie das formulieren würde, wenn man endlich Frau Altkanzlerin zu ihr sagen kann...

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...wie's nach den ersten 100 Tagen weiterging:

Mittwoch, 11. November 2009: Leider ist Angela Merkel als Bundeskanzlerin nicht schnell gescheitert. Leider ist sie sogar nochmal für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden. Und leider wurde es mir auch zu viel, die vorstehende Versagensliste fortzuführen. Aber ich kann auch nicht allein leisten, was die opportunistischen Hauptstadtjournalisten versäumen, die Rob Savelberg vom "De Telegraaf" aus Amsterdam so beeindruckend bloßgestellt hat:





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