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© Dirk Burchard zum Pfingstsonntag 10. Juni 2019 www.ryker.de/dirk/archiv/dpp.html

Drei-Punkte-Plan zur nachhaltigen Überwindung von Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland

Zuletzt entscheiden immer die Richter, und die sind strukturell noch eher Monarchen verpflichtet, als daß sie allen Bürgern tatsächlich effektiv ihre Grundrechte gewährleisten. Aber es gibt drei einfache Stellschrauben, um diesen Mißstand nachhaltig zu überwinden, die lauten: Soziale Kontrolle, wissenschaftliche Fundierung & Verpflichtung auf Wahrheit…

Am 1. Januar 1900 hatte das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) die lateinischen Pandekten abgelöst. Gerechnet ab der Lutherbibel von 1534 hinkte die deutsche Justiz damit sogar dem Christentum um mehr als drei Jahrhunderte hinterher. Damals war der Deutsche Kaiser noch Souverän und gewährte seinem Volk vereinfachten Rechtszugang. Die Märzrevolution von 1848 war zwar 1849 niedergeschlagen, aber liberale Reformen unausweichlich, oder wie Bismarck das ausdrückte: „Revolutionen machen in Preußen nur die Könige.“ Der 70. Geburtstag des Grundgesetzes am 23. Mai 2019 wäre mal wieder ein würdiger Anlaß gewesen für neuen demokratisch-rechtstaatlichen Fortschritt, zumal Deutschland zwei Wochen später zum 75. D-Day stillschweigend hätte glänzen können als Vorreiter, den rechtspopulistischen Mainstream in Europa zu überwinden. Zwischendurch hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel sich sogar in Harvard zum Ehrendoktor ernennen lassen, weil sie den Mindestlohn und die Ehe-für-alle eingeführt hätte und mit so viel Einsatz die Freie Welt vor diesen Trumps, Orbáns, Straches, Salvinis, Farages & Le Pens retten würde, woraufhin die Vorsitzende ihres dafür tatsächlich verantwortlichen Koalitionspartners SPD Andrea Nahles zurücktrat, weil sie angeblich von ihrer Partei ausgebrannt worden war. Nachdem aus Berlin zu diesen historischen Daten wieder nichts kam und auch nichts aus Brüssel, möchte ich im Hinblick auf das 30. Jubiläum des Mauerfalls am 9. November 2019 meinen Drei-Punkte-Plan zur nachhaltigen Überwindung des leider von oben entfesselten Rechtspopulismus bis Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland wenigstens mal zur Diskussion gestellt haben, der im wesentlichen auf meine eigene Bürgerrechtsarbeit um die Jahrtausendwende herum zurückgeht:

  1. Einstufige Juristenausbildung für mehr Kontrolle der Bürger über ihre Justiz, über deren Methodik und Machtausübung durch Studenten der Rechtswissenschaften, die nach
  2. Abschaffung der Blockade des selbständigen Denkens als Zugangshürde zum Richteramt statt opportunistischen Auswendiglernens im Auslesewettstreit für Platzziffernlisten ihre in der Praxis gewonnenen Eindrücke wissenschaftlich reflektieren, für ein Berufsleben mit
  3. Aussonderung der die Wahrheit verbiegenden und Korpsgeist durchtretenden Sachverhaltsfälscher aus der Justiz zur Förderung der Entwicklung von Richterpersönlichkeiten im Sinne etwa von § 139 ZPO.

Politisch ist das nur eine kleine Änderung des Richtergesetzes, die unter Willy Brandt schon einmal durchgesetzt worden war, sowas wie Merkels Atomausstieg als Wiedereinführung einer von Helmut Kohl 1984 gestoppten Reform, und damit über einen Kampf gegen rechts hinaus, vielmehr positives Eintreten für die Freiheitsversprechen des Grundgesetzes, also The biggest Bang for the Buck:

Einstufige Juristenausbildungen gab es in der Bundesrepublik Deutschland ab 1971 mit letzten Absolventen in den 90ern. Statt einer Aufspaltung der Juristenausbildung in Studium & Referendariat mit zwei Staatsexamina folgte damals auf ein universitäres Grundstudium eine Verbindung von Praxisstationen mit wissenschaftlichem Arbeiten und einer dementsprechenden Abschlußprüfung. Ich habe nur Professoren erlebt, die dieser Ausbildung nachgetrauert haben, die sie aber leider nicht mit ihrem Grundrecht auf Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre aus Artikel 5 Absatz GG verteidigt hatten und die auch keine linke Ideologie war, zumal sie aus Olaf Scholz auch keinen Kommunisten gemacht hat. Unbeliebt war die Einstufige Juristenausbildung bei einigen Praktikern in Justiz & Verwaltung, die sich von den politisierten Studenten der 70er Jahre nicht auf ihre Finger schauen lassen wollten – wer sich diese „Kritiker“ der einstufigen Juristenausbildung vorstellen möchte, möge sich „Von Richtern und anderen Sympathisanten“ ansehen, weil genau zu deren Überwindung Studenten Freiraum zum wissenschaftlichen Arbeiten für die Verarbeitung ihrer Praxiserfahrungen brauchen, damit sie ihre spätere Arbeit auch fundiert gegen Mißstände verteidigen können.

Als Blockade des selbständigen Denkens hatte der Bundesverfassungsrichter aD Ernst-Wolfgang Böckenförde juristische Klausurexamina unter Applaus der damaligen deutschen Justiz-Elite bezeichnet, weil diese Auslese zum Richteramt repetitorkompatible Juristen hervorbringt, die Auswendiggelerntes reproduzieren und nicht mehr methodologisch denken würden. Was wie eine witzige Beleidigung von Juristen klingt, ist tatsächlich ein dramatisches Problem, weil es in der Praxis zu Entscheidern führt, die ihre Akten nur dort aufschlagen, wo ihnen die Geschäftsstelle einen Schnippel reingelegt hat, daß etwas hinzugeheftet wurde, dann wird vielleicht ein paar Seiten zurückgeblättert, schnell nach einer irgendwann auswendiggelernten Rechtsauffassung gegrapscht, gern auch der Sachverhalt dafür zurechtgebogen, und dann verteidigen diese „Leistungsträger“ dergleichen autoritär, wie das bei ostNazis „Steherqualitäten“ genannt wird. Bürger überzeugt das selten, und wer mal einen derart ausgelesenen Platzziffernlisten-Besten in Aktion sehen will, möge sich Philipp Amthor ansehen – das mag lustig wirken, wenn er die AfD etwas eleganter runterputzt als die selbst blaffen, aber das sind Umgangston & Kommunikationsstil wie in Rainer Werner Fassbinders Satansbraten und will gar nicht sachlich überzeugen, sondern auftrumpfen. Eine komplizierte Sachverhaltslage ist damit nicht zu klären. Deshalb gibt es in Deutschland fast nie Aufarbeitungen von Großkatastrophen, wie das ICE-Unglück von Eschede, zum Transrapid oder zur LoveParade, weil die Ermittlung, wer sich für das Tragen von Verantwortung bezahlen läßt, schon zu mühsam wird. Das einzige, was problemlos mit diesem Stil gelingt, ist Unterschichten-Kriminialisierung, und deshalb ist Deutschland auch Digitalisierungs-Versager-Land, weil dafür notwendige methodische Differenzierungen, wie sie in den USA zum Beispiel Groklaw begleitet hatte, in Deutschland gar nicht verhandelbar wären. Wer seine Ausbildungszeit mit opportunistischem Auswendiglernen für Klausurexamina vergeuden mußte, wird sich als Richter schwerlich in tiefgründige Fallkonstellationen einarbeiten und Gerichtsverhandlungen zu deren Klärung aktiv voranbringen können.

Anna und Arthur halten's Maul: Keine Hinweise bei Polizei und Justiz machen Genau solche Richterpersönlichkeiten sind aber das Leitbild von § 139 ZPO, und es lohnt sich, diese Norm jetzt einmal zu lesen, denn wer immer sie ausgearbeitet hat, wollte mit Richterpersönlichkeiten sehr konsequent die Korpsgeistdurchtreter aus dem Nationalsozialismus ablösen – Eike Schmidt verdanke ich dazu die weit herausragende Vorlesung meines Studiums. Ob ein Richter sich tatsächlich auf die widerstreitenden Interessen der Parteien einläßt oder nur autoritär seine Kaiser- & Führer-treuen Bauchgefühle und Launen abreagiert, ist einfach zu spüren, aber eigentlich sollte es von vornherein nur die ersteren geben, und zweitere sind zumeist daran zu erkennen, daß sie die Sachverhalte tollkühn zurechtbiegen, damit in der nächsten Instanz die durchgetretene Rechtsfolge wasserdicht aus dem zusammengelogenen Tatbestand zu folgen scheint. Es bedarf des gesellschaftlichen Konsens darüber, daß solche furchtbaren Richter ausgesondert werden, etwa durch Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, Dienstaufsichtbeschwerde oder Strafanzeige wegen Rechtsbeugung, denn Richterpersönlichkeiten können sich gar nicht entwickeln in einem solchen Umfeld und kein Vertrauen in die Justiz kann entstehen, weil das Dilemma bleibt: Solange die ergebnisorientiert ihre Sachverhalte fälschenden Korpsgeist-Durchtreter nicht aus der Justiz entfernt sind, werden Anna & Arthur recht behalten, wenn sie‘s Maul halten und keine Aussagen bei Polizei und Justiz machen.

Im großen Feldversuch der deutsch-deutschen Wiedervereinigung präsentiert die bundesdeutsche Justiz ihre Leistungsschau seit 1990 in den gar nicht mehr so neuen Bundesländern, wie westDeutsche ihr System unter westalliierter Besatzung entwickelt hatten und wer sich damit durchsetzen kann. Zur Erinnerung: Mit der Währungsunion gab es schon ab 1. Juli 1990 die D-Mark noch in der DDR, deren Volkskammer am 20. September 1990 dem Einigungsvertrag zustimmte, ebenso wie der Bundestag damals in Bonn. Auf dessen Vollzug am 3. Oktober 1990 folgten die ersten Landtagswahlen in allen fünf neuen Bundesländern am 14. Oktober 1990 und die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl am 2. Dezember 1990. Faktisch gab es noch das inzwischen marode System zweier großer Volksparteien plus zwei kleine Mehrheitsbeschaffer, oft Junior-Partner genannt – mehr Wahlmöglichkeiten hatten westDeutsche auch nie, und nur völkische Demagogen wie Gregor Gysi behaupten, mit „der Wende wurden die Ostdeutschen gedemütigt, zu Menschen zweiter Klasse“, denn tatsächlich waren ostDeutsche mit der Wiedervereinigung ebenso vollwertige Bundesbürger wie westDeutsche auch, haben ganz genau das bekommen, was sie mehrheitlich gewählt hatten, und sofern sie sich nicht selbst als „Ossi“ definieren, fallen die meisten im Westen gar nicht als solche auf. 1990 standen zur Wahl die Hans-Globke-Partei (CDU) oder die Otto-Wels-Partei (SPD). Über Hans Globke hatte sich Adolf Eichmann berechtigt beschwert, daß der in Bonn bei Adenauer am Kabinettstisch sitzen und er selbst in Israel zum Tode verurteilt würde, und Otto Wels hatte sich zwar als letzter gegen Adolf Hitlers Ermächtigungsgesetz gestemmt, aber Sie wollen uns an die Ehre war nun auch kein leidenschaftliches Plädoyer für die parlamentarische Demokratie, mit der er das Bürgertum von seiner Zustimmung zum Nationalsozialismus hätte abhalten können. Die Besonderheit der Landtagswahlen vom 14. Oktober 1990 war, daß ostDeutsche damals auch gewählt haben, ob die Hans-Globke-Partei oder die Otto-Wels-Partei ihre ersten Richter und Beamten auf Lebenszeit einstellen lassen, sowie daß Richter zunächst nur westDeutsche werden durften. Fast drei Jahrzehnte später ist am Rechtsextremismus sehr anschaulich zu erkennen, welche Entscheidung ostDeutsche in ihren neuen Ländern damals getroffen haben: Nachdem die Debatte um den Asylkompromiß 1992 die erste große rechtsextreme Eskalation in Rostock-Lichtenhagen entfesselt hatte, konnten sich Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg vergleichsweise spektakulär beruhigen. Sachsen-Anhalt kennzeichnet hingegen trefflich die aggressive Nichtaufklärung der Todesfälle Oury Jalloh, Hans-Jürgen Rose & Mario Bichtemann, Thüringen bis zum Politikwechsel 2014 die NSU-Morde des Thüringer Heimatschutzes und Sachsen zuletzt der Kontrollverlust der Polizei in Chemnitz 2018, worauf das Konzert #wirsindmehr mit 65.000 Besuchern die Stadt zurückerobert hat und mit Hans-Georg Maaßen erstmals ein politischer Brandstifter stürzte. In Thüringen werden rechtslastige Staatsanwälte wie Martin Zschächner immerhin gestoppt, und in Sachsen beklagte sich kürzlich sogar Ministerpräsident Kretschmer, daß ein Gericht schon das zimperliche Fackelverbot für den Aufmarsch von Der III. Weg in Plauen aufgehoben hätte. Wer sich Videos von dieser Demonstration ansieht, wird nirgendwo eine politische Meinungskundgabe finden, sondern nur einen Aufmarsch mit naziFolklore – und zu faschistischen Straßenfesten war mir schon 2004 aufgefallen, wie trefflich die Argumentation des Bundesverfassungsgericht dazu paßt, als es der LoveParade den Schutz der Demonstrationsfreiheit verweigert hatte, denn daß 65.000 Bürger einer Kleinstadt sich rechtmäßig mit solchen Aufmärschen belagern lassen müssen, ist sehr tendenziöse Rechtsprechung. Und deshalb empfehle ich meinen Drei-Punkte-Plan auch als ein gesamtdeutsches Projekt, mit dem Bundesbürger ihre Justiz zur tatsächlich effektiven Gewährleistung ihrer Grundrechte auch mal für andere Entwicklungen wie freiheitliche Werte zurückerobern. Abgesehen davon, finde ich auch immer originell, wenn Deutsche mit dem Finger nach Ungarn, Polen oder in die Türkei zeigen, wie dortige Machthaber ihre Justiz gleichschalten, wohingegen hier niemanden interessiert, wie Richter überhaupt ausgewählt und ernannt werden – nicht einmal wenn das wie im Amtsgericht Lichtenfels sogar spektakulär schief geht.

Steht mir das zu, mich derart über die bundesdeutsche Justiz zu äußern? Auf jeden Fall, denn ich hatte zum Abschluß meiner Juristenausbildung ausweislich KritV 1999, 239 trotz dieser bekloppten Ausbildung schon im alten Jahrtausend die methodische Ausrichtung auf jeden einzelnen Bürger geschafft und bin dann an Freisler-Traditionalisten und deren Sachverhaltsfälschungen gescheitert, habe diese politische Verfolgung aber aufgearbeitet und nicht reproduziert wie Amokläufer. Ich habe sogar ein als linksextrem markiertes Referendarzeugnis bekommen für konsequent bürgerrechtsliberales Gedankengut, das in der Tat linksextrem zu dieser strukturell im Kaiserreich und im Nationalsozialismus steckengebliebenen Justiz-Kaste steht. Als ursprünglich ausgebildeter Umweltrechtler hatte ich 1995 in Bremen ein Referat zum damaligen Weltklimagipfel in Berlin gehalten, konnte nichtmal an dieser als links verrufenen Universität eine Seminararbeit dazu unterbringen, mußte mir für die ersten beiden Punkte meines heutigen Drei-Punkte-Plans noch in Sachsen-Anhalt mit einem konstruierten Disziplinarverfahren meine berufliche Karriere vernichten lassen und kann der Generation Fridays-for-Future sehr nachdrücklich versichern, daß wenn sie sich nicht gegen eine Vergeudung ihrer Ausbildungszeit durch Konditionierung auf opportunistisches Auswendiglernen wehren und anstreben, was bei den sogenannten 68ern „Marsch durch die Institutionen“ hieß, dann wird ihr Klima-Protest niemals tatsächlich Wirkung entfalten.

Erst wenn die Korpsgeist durchtretenden Sachverhaltsfälscher als Altlasten des preußischen Obrigkeitsstaats und der verschleppten Entnazifizierung ausgesondert sind und Richterpersönlichkeiten im Sinne von § 139 ZPO sich ausbilden und durchsetzen können, hätte die bundesdeutsche Justiz eine Chance, dieses Land noch zu einem Rechtstaat zu entwickeln, der jedem Bürger als Souverän tatsächlich effektiv seine Grundrechte gewährleistet, und bis dahin hatte ich mir zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes als eine Art goldenen Alu-Hut bereitgelegt für einschlägige Juristenkontakte, diese einfach nur mitleidig anzusehen mit diesem Mantra:

Soll‘s das wirklich sein, sich an verlogen durchgetretener Staatsgewalt zu berauschen, an anderer Lebenszeit zu schmarotzen, die sich dafür mit Menschenekel krümmen wie ich, sich davon abhängig zu machen, daß andere sich an Sündenböcken wie Flüchtlingen abreagieren und nicht mit der Knarre ins Gericht kommen, um dann im Alter auf Demenz hoffen zu müssen, die das Hochkommen von Erinnerungen an die eigene Geistfeindlichlichkeit und Depressionen erspart, die dann nicht mehr therapierbar sein werden?

Möge Höhere Gerechtigkeit über von parasitären Staatsbesoldeten pervertierte richten…





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